Kodierempfehlung Nr. 268

Schlagwort: Nierenversagen, akut, prärenal, Niereninsuffizienz, Nierenkrankheit, chronisch – durch Schlichtungsausschuss entschieden
Erstellt: 2009-06-04
Aktualisiert: 2021-01-01 -  – letztmalige turnusmäßige Aktualisierung, da durch Schlichtungsausschuss entschieden.
Entscheidung des Schlichtungsausschusses veröffentlicht am: 2020-10-15
DRG:
ICD: N19 N17.9 N17.-
OPS:

Problem/Erläuterung:
1. Nach welchen Kriterien wird ein akutes Nierenversagen (ohne Histologiebefund) verschlüsselt? 2. Wie wird ein prärenales Nierenversagen z. B. bei Exsikkose kodiert? 3. Wann wird von einer chronischen Niereninsuffizienz/Nierenkrankheit gesprochen? Kann eine chronische Niereninsuffizienz/Nierenkrankheit als Nebendiagnose kodiert werden, wenn die glomeruläre Filtrationsrate (GFR) nur unter Verwendung der MDRD (Modification of Diet in Renal Disease)- oder Cockroft-Gault-Formel bestimmt wird ohne sonstige Maßnahmen?

Kodierempfehlung:

Entscheidung Schlichtungsausschuss:
Die Kodierung des akuten und chronischen Nierenversagens richtet sich nach dem Wortlaut des ICD-10-GM. Die chronische Niereninsuffizienz ist eine strukturelle oder funktionelle Auffälligkeit der Niere über mehr als 3 Monate mit Auswirkung auf die Gesundheit.

Kodierempfehlung bis zur Entscheidung des Schlichtungsausschusses:
1. Das akute Nierenversagen (ANV) ist eine schnell eintretende, prinzipiell reversible Verschlechterung der exkretorischen Nierenfunktion. Die Diagnose orientiert sich an den Rifle-Kriterien (Risk-Injury-Failure-Loss-ESRD; internationale Konsensuskonferenz 2004) – Definition ANV (RIFLE-Stadium Failure): • Anstieg des Serumkreatinins um das 3-fache des Ausgangswertes oder • Serum-Kreatinin ? 4 mg/dl mit einem akuten Anstieg von mindestens 0,5 mg/dl oder • Abfall der GFR > 75 % oder • Rückgang der Urin-Ausscheidung auf < 0,3 ml/kg/h für 24 h oder • Anurie für mindestens 12 Stunden. 2007 wurde auf einer internationalen Konsensuskonferenz des Acute Kidney Injury Network (AKIN) der Begriff acute kidney injury geprägt. Dabei entsprechen die AKIN-Stadien 1 und 2 einem drohenden akuten Nierenversagen. Erst Stadium 3 beschreibt das Krankheitsbild des akuten Nierenversagens und entspricht dem Stadium Failure nach RIFLE. 2012 wurde durch die KDIGO-Foundation (Kidney Disease: Improving Global Outcomes) eine Leitlinie zur stadiengerechten Prävention und Therapie der akuten Nierenschädigung veröffentlicht, die auf den RIFLE und AKIN-Kriterien basiert und das Konzept der AKI (Acute Kidney Injury) weiterentwickelt. KDIGO definiert die akute Nierenschädigung (AKI) als einen abrupten Rückgang der Nierenfunktion, der auch – aber nicht nur – das akute Nierenversagen umfasst. Entsprechend sind die Schwellenwerte, ab denen von einer AKI gesprochen wird, niedriger angesetzt. Die KDIGO-Leitlinien weisen explizit darauf hin, dass die akute Nierenschädigung (AKI: Acute Kidney Injury) nicht mit einem akuten Nierenversagen (ARF: Acute Renal Failure) gleichzusetzen ist. Dies wird leider in manchen deutschsprachigen Publikationen durch eine ungenaue Übersetzung bzw. Gleichsetzung der Begriffe suggeriert. Ein Patient kann ein akutes Nierenversagen und eine chronische Niereninsuffizienz/Nierenkrankheit zugleich aufweisen. Sofern weder eindeutig ein akutes noch ein chronisches Nierenversagen vorliegt, ist die Niereninsuffizienz mit N19 Nicht näher bezeichnete Niereninsuffizienz zu verschlüsseln, wenn eine Beeinflussung des Patientenmanagements vorgelegen hat. 2015 wurden in die Kategorie N17.- Akutes Nierenversagen der ICD-10-GM fünfte Stellen zur differenzierten, stadiengerechten Kodierung des akuten Nierenversagens gemäß den KDIGO-Leitlinien aufgenommen. Damit ist zwar eine stadiengerechte Abbildung auf der 5. Stelle möglich, allerdings finden sich damit auch die Stadien 1 und 2 unter der Bezeichnung „akutes Nierenversagen“. Zur klinischen Abgrenzung der akuten Nierenschädigung (AKI)/des akuten Nierenversagens von einem lediglich durch Exsikkose bedingten Anstieg der Retentionswerte ist allerdings bei den Stadien 1-3 der Hinweis „adäquate Flüssigkeitszufuhr vorausgesetzt“ eingefügt worden. Für Fälle ab 2017 wird in der ICD-10 GM der adäquate Hydratationszustand nur noch für Stadium 1 gefordert. 2. Liegt nach den unter Punkt 1 genannten Kriterien ein prärenales akutes Nierenversagen vor (Stadium Failure nach RIFLE bzw. Stadium 3 nach AKIN), ist dies mit N17.9- Akutes Nierenversagen, nicht näher bezeichnet zu verschlüsseln. Ab 2017 ist das akute prärenale Nierenversagen unter N17.- inkludiert. Damit gelten auch für die Verschlüsselung des akuten prärenalen Nierenversagens die Vorgaben dieser Kodegruppe, d. h. ab Stadium 2 ist das akute prärenale Nierenversagen auch unabhängig vom Hydratationszustand zum Zeitpunkt der Messungen stadiengerecht verschlüsselbar. Umgekehrt schließt jedoch ein nicht-adäquater Hydratationszustand zum Zeitpunkt der Messung die Kodierung eines Stadium 1 auch beim akuten prärenalen Nierenversagen aus. In dieser Fallkonstellation wäre beispielsweise die E86 Volumenmangel zu kodieren. 3. Die Definition der chronischen Nierenkrankheit nach den KDIGO Guidelines 2012 lautet wie folgt: Die Chronische Nierenkrankheit ist definiert als strukturelle oder funktionelle Auffälligkeit der Niere über mehr als 3 Monate mit Auswirkungen auf die Gesundheit. Kriterien hierfür sind: Zeichen einer Nierenschädigung über mindestens 3 Monate (ein oder mehrere Kriterien): - Albuminurie (Albuminurie ? 30 mg/24 h, Albumin/Kreatinin, Quotient > 30 mg/g bzw. ? 3 mg/mmol) - Abnormes Urinsediment - Elektrolytstörungen oder andere abnorme Befunde infolge tubulärer Erkrankung - Abnormer histologischer Befund - Abnorme Befunde in bildgebenden Verfahren - Nierentransplantation in der Anamnese oder - GFR < 60 ml/min/1,73 m2 über mindestens 3 Monate 4. Die chronische Niereninsuffizienz/Nierenkrankheit hat bei der in Frage 4 genannten Konstellation das Patientenmanagement nicht beeinflusst. Der abnorme Befund hat keine klinische Bedeutung im Sinne einer therapeutischen Konsequenz oder einer weiterführenden Diagnostik gehabt. In diesem Fall ist die chronische Niereninsuffizienz/-krankheit nicht als Nebendiagnose anzugeben. Grundsätzlich gilt auch für diese Kodierempfehlung, dass bei der Kodierung als Nebendiagnose das Patientenmanagement beeinflusst sein muss.